Pflegenotstand stoppen: Prävention und Barrierefreiheit als Lösung
Die Pflegebranche steht vor einer Krise, die sich in den nächsten Jahren verstärken könnte. Laut Schätzungen des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl der Pflegebedürftigen von derzeit etwa fünf Millionen auf 6,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen. Um diese Menschen angemessen versorgen zu können, bräuchte es alleine in Deutschland rund 2,2 Millionen Pflegekräfte. Derzeit sind es jedoch nur etwa 1,7 Millionen – ein Mangel, der sich in Zukunft noch verschärfen dürfte. (Quelle)
Pflegenotstand stoppen: Prävention und Barrierefreiheit als Lösung
Vermeidung von Pflegebedürftigkeit: Ursachen und Präventionsmöglichkeiten
Aber wäre es nicht sinnvoller, anstatt ständig die Zahl der Pflegekräfte aufstocken zu müssen, präventiv gegen Pflegebedürftigkeit anzugehen? Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) merkt an, dass viele Ursachen von Pflegebedürftigkeit – wie etwa Demenz oder Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Schlaganfall oder Herzerkrankungen – tatsächlich oft vermeidbar wären. Insbesondere Nikotin- und Alkoholkonsum, falsche und übermäßige Ernährung sowie mangelnde Bewegung können diese Krankheiten verursachen oder verschlimmern.
Bedarf an Verhaltens- und Verhältnisprävention
Hier sieht die DKG besonders großes Potential für Präventionsmaßnahmen, also für Maßnahmen, die darauf abzielen, Krankheiten und gesundheitliche Beeinträchtigungen im Vorhinein zu verhindern. „Wer den Pflegekräftemangel lösen will, muss die Raucherquote senken, den Zuckergehalt in Softdrinks reduzieren und Fahrradwege bauen“, so die DKG. Denn zu viele Menschen in Deutschland ernähren sich ungesund, bewegen sich zu wenig und konsumieren zu viel Zucker, Alkohol und Nikotin.
Barrierefreiheit als Beitrag zur Vermeidung von Pflegefällen
Eine weitere vorsorgende Maßnahme zur Reduktion von Pflegebedürftigkeit sind Sturzprophylaxen und die Schaffung von barrierefreien Umgebungen für Senioren.
Mobilität fördern und Stürze vermeiden
Eine häufige Ursache für Pflegebedürftigkeit sind Stürze im Alter, die oft zu langfristigen oder dauerhaften körperlichen Beeinträchtigungen führen. Zur Sturzprophylaxe gehören gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität älterer Menschen – etwa durch Sport oder Physiotherapie – sowie die Schaffung von geeigneten, sturzsicheren Wohn- und Lebensumgebungen. Hier ist insbesondere eine barrierefreie Gestaltung der Lebenswelt älterer Menschen von Bedeutung.
Barrierefreie Lebenswelt für Senioren: Wo gibt es Handlungsbedarf?
Doch trotz der Bereitstellung finanzieller Mittel durch die Pflegekassen zur Anpassung der Wohnsituation an die Bedürfnisse älterer Menschen, nutzen diese nicht alle Betroffenen: Eine Auswertung des Sozialverbands VdK vom Februar 2023 zeigt, dass nur rund 85 Prozent der Berechtigten diese Mittel auch abrufen. Hier besteht Handlungsbedarf, sowohl in Bezug auf die Information und Beratung der Betroffenen als auch in Bezug auf die konkrete Umsetzung der barrierefreien Gestaltung der Lebensumgebung.
Ergebnisoffene Forschung zur Prävention von Pflegebedürftigkeit
Leider gibt es noch zu wenige belastbare Studien dazu, um wie viel die Zahl der Pflegebedürftigen sinken könnte und wie viele Pflegekräfte man weniger bräuchte, würde man konsequent vorbeugen. Das Präventionsparadox beschreibt hierin das grundlegende Problem: Die Kosten für Präventionsmaßnahmen sind stets sichtbar, aber nicht immer lässt sich eindeutig belegen, was diese Maßnahmen konkret bewirken und welche Kosten sie langfristig einsparen könnten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wirkung von Prävention generell in Frage gestellt wird. Einer Studie zufolge sind immerhin etwa ein Drittel der Ursachen für Demenz prinzipiell vermeidbar – Demenz ist der häufigste Grund für Pflegebedürftigkeit.
Beratungsbedarf erkennen und decken
Solange es für eine umfassende Prävention von Pflegebedürftigkeit an gesellschaftlichem Bewusstsein und geeigneten Strukturen mangelt, sind hier besonders Beratungsangebote gefragt. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollten in den obligatorischen Beratungsgesprächen darauf hingewiesen werden, welche Möglichkeiten es zur Vorbeugung von Pflegebedürftigkeit gibt – und wie sie diese Möglichkeiten nutzen können. Die dafür notwendigen Schulungen der Berater sollten dringend zum Standard werden.
Schlusswort
Obwohl das Thema „Pflegenotstand“ momentan viel Aufmerksamkeit erhält, sind präventive Maßnahmen und eine barrierefreie Lebenswelt für Senioren noch nicht genügend in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt. Es gilt, diese Aspekte stärker zu betonen und mehr in Lösungsansätze zu investieren. Dann können wir Wege aus dem Pflegenotstand finden und die Lebensqualität der Betroffenen steigern.
Mehr Informationen finden Sie unter: Originalquelle